Highest Primzahl On Mars – What???

(pe + vo-kursiv) – (vo) „What???“ Was??? Was machen die vier gestandenen Männer dieser Band aus dem Rhein-Main Gebiet? Psychedelische Soundcollagen erschaffen, die, in unterschiedlichen Längen und Breiten zwischen Kraut-, Psychedelic- und Space Rock mäandern. Die alle deine Sinne aufwecken und inspirieren (ja, alle!) Da wir beide, Peter und Volker, dem Frankfurter Vierer mit vier Steuermännern schon nach dem Studium ihrer ersten beiden Alben „Escape From Moronia“ und „Error Not Found“ und anschließenden Live Erlebnissen völlig verfallen sind, teilen wir uns die Rezension ihres neuen Vinyl Doppel-Albums „What???“ (auch als CD und Download mit zwei Bonusstücken erhältlich: die passten leider nicht mehr auf die Vinylscheiben da erst später aufgenommen und für sehr gut befunden).

Für die ersten vier Abflüge plus Bonusstück CURVED NOTHING versucht Volker die richtigen Worte zu finden, Peter ist danach „ready for take Off“ für die Abflüge fünf bis acht und Bonusstück 10 PLANET 18_34, auf geht´s.

(vo) Vorweg noch dieses: Die Releaseparty des Albums findet in ihrer Heimatstadt Frankfurt/Main am 15.11.2025 im Dreikönigskeller statt, der, sehr gut möglich, nach der Party in Vierkönigskeller umbenannt wird. Im Mutterland der besonderen Liebhaber dieser Art Musik, England, werden HPOM für What??? sicherlich besonders gefeiert werden, und zu was? Zu recht! Aber bitte auch mehr und mehr in unseren Breiten- und Längengraden.

Der erste Abflug aller Abflüge in Räume ohne musikalische Grenzen, der erste Strauß sehr farbenprächtiger Melodien, die erste Reise in die tiefsten Tiefen und in die höchsten Weihen der psychedelischen Musik für die kommenden 120 Minuten ist der Titelsong des Albums, „What???“, und der beginnt mit dem verzerrten Wort „Electronic“. Was folgt ist schwer treibende Saitenmagie aller drei Saitenzauberer und dazu der unglaublich präzise Schlagzeugdrive mit dieser sensationell groovenden Motorik von Gerd, der mich immer wieder schwer begeistert und dem „von da oben“ Klaus Dinger und Jaki Liebezeit sicherlich viel Beifall zollen!

„Mind Is Coming“: für mich der Monolith ihrer bisherigen Bandgeschichte, ein Parforceritt durch meine sämtlich erreichbaren Kopfkinogegenden. Was für ein Grrrroooove, was für ein Rhythmus, was für Saitenreisen, was für ein Riff, was für eine Motorik. Ich bin dann mal weg, ganz weit weg, schwebe für Siebzehn Minuten und Siebenundzwanzig Sekunden dahin…..

„Path Of Peace“: leg dich auf den bunten Teppich, auf die Couch, auf die Auslegeware (danke Loriot), fläz dich in den Sessel, bewege dich auf diesem Pfad und lausche diesem nächsten, psychedelischelektronischen Wahnsinn, der mir eine Rückführung in meine musikalische Aufwachphase bedeutet. Mitte der 1970er, als diese Art Musik auf mich einwirkte wie eine Droge, als Klaus S., Tangerine D., Neu!, die Ruck Zuck Klingklang Erzeuger, Ashra T. und andere meinen bis dahin härter ausgelegten Musikgeschmack um andere Nuancen erweiterte. Ich sehe mich auch noch ins „Open Eye“ eintreten, erstmalig 1975, einem Musikclub in der Nähe Wuppertals, in dem sämtliche Grasgerüche der damaligen Welt vorhanden waren und ausströmten, und in dem dir solche Musik sämtliche Bewusstseinserweiternden Reisen ermöglichte. Der Trip begann unmittelbar nach Eintritt und hörte erst auf wenn es hell wurde, sämtliches Gras gemäht oder die Polizei reinrauschte. HPOM transportieren diese Musik auf atemberaubende Weise in die Jetztzeit: meine tiefe Verehrung dafür.

„DIM NOFIO YN YR AFON“ klingt nach Dschungel Free Jazz Karibik Improvisation in Can-ähnlicher Manier, herrliches Kauderwelsch, einfach drauf einlassen.

„Curved Nothing“: heftig groovender Stoff, mit bratenden GitarrenRückwänden die dir den Nacken verwirbeln, sich später zeitweise ins Köchelnde zurückziehen aber dann zum Outro hin mächtig aufheizen, bruzzeln, braten…..

(pe) HPOM spielen ja schon im Bandnamen und auch in den Songtiteln mit intergalaktischen Themen, und das spiegelt sich auch im Song Timescape wie eigentlich im ganzen Album wider: der Band gelingt es auf fast cinematographischem Wege, aus der Musik Bilder in den Kopf des Zuhörers zu projizieren – und die sind bei mir fast unweigerlich mit kosmischen Assoziationen verbunden.

So wirkt Timescape mit seinem treibenden Rhythmus wie eine interstellare Dampflokomotive – für den Passagier ziehen nur eben nicht Bäume, Häuser und Felder am geistigen Auge vorbei, sondern vielmehr Sterne und ganze Galaxien.
Begriffe wie Raumfaltung und Einsteins „e=mc2“ rauschen durch meine Synapsen während musikalisch ein eifriger intergalaktischer Kohlenschaufler eine Scheffel nach der anderen ins Feuer haut, um Überlichtgeschwindigkeit zu generieren.
Nach etwa der Hälfte des Songs setzt plötzlich ein Synthie ein, der unser Schiff dann wirklich auf volle Leistung bringt – und jetzt geht die Fahrt erst richtig los, denn im Anschluss eskaliert Timescape komplett entfesselt, begeistert mit sägender Gitarre und filigranster Cymbal-Bearbeitung, während an Stillsitzen nicht mehr zu denken ist.

Wie ein Sci-Fi-Streifen für die Ohren beginnt der nächste Song Botcamp dann fast funkig, unterhält meisterlich mit repetitiven Rhythmen, einem mittendrin platzierten kleinen Gitarren-Freak-Out, das die Stimmung der Songs kurzfristig komplett auf den Kopf stellt, und ab Minute Acht setzt eine herrlich sphärische Gitarre ein, die wirklich die Sterne funkeln lässt … wer braucht schon Texte und Gesang, wenn doch reine Musik derartig faszinierende Traumlandschaften entstehen zu lassen vermag!

Kreist beim Botcamp der komplette Song um das feine funkige Riff herum, so definiert auch der nächste Song Edge Of Time einen zentralen Mittelpunkt, um den sich alles anbetungswürdig schmiegt wie um das Auge eines langsam die Welt in sich hineinsaugenden leuchtenden Vortex: zunächst etwas ruhiger beginnend wirkt der 10-Minüter wie ein gemächlich vor sich hin mäandernder stellarer Fluss durchs Weltall – bis eben diese eine ganz besondere Melodie ertönt, die sofort nach dem ersten Erklingen direkt ohrwurmartig im Gehör hängenbleibt, und die von hier an das erwähnte Zentrum von Musik und Galaxie bildet. „Schwerelosgelöst“ würden wir ihr überallhin folgen wie Kleinkinder der berühmten Flöte des Rattenfängers von Hameln. Keine Sorgen, keine Fragen, keine Zweifel – mit der Melodie schwebt schlichtweg traumhafte Leichtigkeit durch den Raum, der man sich ohne Probleme weitere 10 Minuten ergeben möchte.

Unsere Reise muss allerdings fortgesetzt werden, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns von der Melodie zu lösen und final (zumindet auf Vinyl) wieder auf den Nova Express aufzuspringen, um uns wie schon bei Timescape einem straight vorwärts treibenden Rhythmus mit wummernden Basslinien und Stakkato-Schlagwerk zu ergeben, der uns quasi zurück an den Start unserer phänomenalen Reise führt und uns mit staunenden Augen und glühenden Ohren ob des Gesamterlebnisses schließlich nach der letzten Rille wieder ins Hier und Jetzt entlässt … gut nur, dass man die Nadel bei Bedarf gleich wieder ganz vorne aufsetzen kann, um den nächsten Trip zu starten!

Wer an dieser Stelle noch einen Abstecher in ein Alternativ-Universum unternehmen möchte, dem sei die CD-Version von „What???“ wärmstens empfohlen, denn hier findet sich mit Planet 18:34 noch ein eigentlich sehr HPOM-untypischer Song, der erst entstanden ist, als die Master schon zum Vinyl-Presswerk unterwegs waren und der Band so gut gefallen hat, dass sie ihn kurzerhand noch auf der CD untergebracht hat. Und dieser Song mit seinen 18 Minuten Laufzeit hat es in sich und lässt eine echte und unerwartete Psych-Drone-Bombe platzen, die mich in ihren besten Momenten an die Japanischen Drone-Legenden „Boris“ erinnert und einen perfekten Abschluss für dieses (weitere) Opus Magnum von Highest Primzahl On Mars bildet.

Wie Frank Diedrich uns für dieses Review persönlich beschreibt, wurde das komplette Album wie auch die beiden Vorgänger Escape From Moronia (2023) und Error Not Found (2024)“ live und ohne Absprachen eingespielt, bei einigen Songs handelt es sich tatsächlich um „First Takes“ !!!“
„WHAT???“ ist also ein intuitiv und rein situativ entwickeltes Jam-Projekt, das momentane Stimmungen der einzelnen Bandmitglieder, quasi ihre eigene Auffassung des aktuellen Zeitgeistes mit all den Einflüssen aus dem und auf das Leben der Musiker zu einer musikalischen Momentaufnahme kondensiert.
Laut Frank Diedrich drückt der Titel „WHAT???“ daher „vielleicht die Verwunderung über den Wahnsinn aus, der gerade auf der Welt abläuft…“, sei aber letztendlich frei interpretierbar.

Tatsächlich verliert man während des Albumgenusses sämtliches Gefühl für Raum, Zeit und (schönerweise) auch Realität, und am Ende angekommen fragt man sich erstaunt „What??? Das wars? Was ist geschehen? Wo bin ich? Wann bin ich? Wer bin ich? Und wieso???“
„WHAT???“ hat eine Wirkung auf den Hörer, die man sich in etwa so vorstellen kann, als wenn sich Isaac Asimov, Kurt Vonnegut und Philip K. Dick zusammengeschlossen hätten, um all ihre Visionen und Geschichten in ein Doppelalbum zu destillieren – und das kann natürlich nur überwältigend sein!

„WHAT???“ ist auf jeden Fall aktuell das Beste an instrumentaler Eskapismus-Möglichkeit, was man sich nur wünschen kann – ein echtes Geschenk, für 86 Minuten auf Vinyl oder sogar 120 Minuten auf CD dem Wahnsinn des Weltgeschehens einmal den Rücken zukehren zu dürfen und endlich mal so richtig frei durchzuatmen… (peter)

LP:

  1. WHAT??? – 04:51
  2. MIND IS COMING (Remastered) – 17:27
  3. PATH OF PEACE – 17:26
  4. DIM NOFIO YN YR AFON – 03:23
  5. TIMESCAPE – 11:56
  6. BOTCAMP – 10:09
  7. EDGE OF TIME – 10:04
  8. NOVA EXPRESS – 11:11

CD und Download mit den Bonusstücken:

  1. CURVED NOTHING – 16:02
  2. PLANET 18_35 – 18:35

Band:
Arun Kumar: guitars, theremin
Uli „Hank“ Wagner: guitars
Frank Diedrich: bass and synth
Gerd Böhme: drums

Recorded and mixed by Frank Diedrich November 2024 – June 2025
Mastered by Chris Crescendo
Cover artwork: Meike Kolor
Cover design: Frank Diedrich

Label:
www.clostridiumrecords.com

Releases November 15, 2025